Vaterrolle – Was bedeutet das eigentlich?

May 29, 2025

Ein sehr persönlicher Blick auf drei verschiedene Vätermodelle in meinem Umfeld – und was ich daraus über Verantwortung, Bindung und echte Präsenz gelernt habe.

In meiner Arbeit als Elterntrainerin spreche ich oft über die Elternrolle, Fürsorge, mentale Last und Beziehungsgestaltung – aber heute möchte ich den Blick bewusst auf die Vaterrolle richten.

Denn ich habe sie in meinem eigenen Leben in ganz unterschiedlichen Facetten erlebt. Nicht theoretisch. Sondern hautnah – durch drei Männer, die in meinem nächsten Umfeld ganz verschiedene Rollen als Väter übernommen haben.


 

1. Der leibliche Vater meiner Tochter

Unsere Geschichte begann holprig.

Die Trennung – einen Monat vor der Geburt. Dann drei Jahre kein gemeinsames Leben, drei Jahre dann doch unter einem Dach, und dann: wieder Trennung. Dieses Mal endgültig.

Er war mal präsenter, dann wieder weniger. Und ja – für meine Tochter war das spürbar. Sie war sehr auf mich und ihre Oma fixiert. Zwei Frauen, zwei sichere Häfen. Der Papa?

Oft ein Besucher. Nie der Fixpunkt.

Und obwohl er sich auf seine Weise bemüht hat, war er nie in echter Verantwortung. Bis heute weiß er nicht, welche Impfungen sie bekommen hat, warum sie auf welche Schule gegangen ist, wann ihre nächsten Arzttermine sind oder was ihre bevorzugte Jause in der Früh ist.

Ich sage das nicht vorwurfsvoll – sondern nüchtern.

Für mich war sie immer „meine Tochter“. Nie „unsere“.

Und das sagt schon viel darüber aus, wie sehr Vaterschaft auch von gesellschaftlichen Bildern geprägt ist – und auch von dem, was wir als Mütter zulassen oder von der Vaterrolle erwarten.

Heute haben die beiden eine schöne Beziehung zueinander - auch weil er nie aufgegeben hat, obwohl er auch zeitweise viel Ablehnung von ihr bekommen hat.

Sie treffen sich regelmäßig, verbringen Zeit miteinander, haben sozusagen „ihr Ding“ gefunden.

Und meine Tochter? Sie liebt ihren Papa – so wie er ist.

Sie sieht das Positive an ihm – und das ist etwas, das mir ganz besonders am Herzen liegt.

Denn ich habe immer versucht, meine eigenen Gefühle ihm gegenüber nicht auf sie zu übertragen. Nur weil er nicht der Partner an meiner Seite war, den ich mir für mein Leben gewünscht hätte, heißt das nicht, dass er sie nicht liebt oder dass er nicht auf seine Art für sie da sein will.

Und ich finde: Das ist besser als keine Beziehung.

Diese Verbindung wollte ich für sie nie zerstören.

Ganz im Gegenteil – ich wollte ihr ermöglichen, dass sie ihren eigenen Zugang zu ihm finden darf. Und das hat sie getan.


 

2. Mein Verlobter – Bonuspapa mit Herz

Seit zwei Jahren lebt mein Partner jetzt mit uns.

Er ist nicht der leibliche Vater meiner Tochter – aber in den letzten zwei Jahren ist er eine wichtige Bezugsperson - in meinen Augen eine Vaterfigur - geworden.

Er ist präsent: Emotional, mental, im Alltag.

Er begleitet, diskutiert, hilft beim Lernen, kauft Kleidung für sie, hört zu, massiert müde Füße, geht einkaufen, kocht, achtet auf ihre Bedürfnisse und bleibt – auch wenn’s schwierig ist.

Und glaubt mir: Es war schwierig.

Am Anfang hat sie ihn getestet. Push & Pull.

Immer wenn wir dachten, jetzt hat sie ihn im Familiensystem akzeptiert, kam eine neue Ablehnungsphase.

„Du bist nicht mein Papa!“ oder oft auch einfach nur Kälte.

Das tat weh. Für ihn. Für uns.

Aber er ist geblieben.

Er hat (sie) nicht aufgegeben. Und genau das ist für mich die Definition von aktiver Vaterschaft im Familienalltag – egal ob leiblich oder nicht:

Dasein. Dranbleiben. Emotional verfügbar sein. Verantwortung übernehmen.

Und jetzt? 

Jetzt sind wir wirklich eine Familie. Wir sind zusammengewachsen bzw. zusammen gewachsen. Alle drei! 

Und meine Tochter hat erkannt, dass sie mit meinem Verlobten eine weitere verlässliche Bezugsperson dazu gewonnen und nicht einen Teil der Mama verloren hat. 


 

3. Der Papa meiner früheren Pflegekinder

Der dritte Vater in meinem Umfeld ist der leibliche Vater meiner beiden früheren Pflegekinder. Lange war er der klassische Wochenendpapa. Die Kinder haben ihn geliebt. Vergöttert. Er war immer der, der Süßigkeiten gebracht hat und mit dem man Spaß haben konnte.

Doch vor eineinhalb Jahren hat sich das Leben plötzlich gedreht:

Er hat seine beiden Töchter ganz zu sich genommen –

und ist über Nacht vom Besucherpapa zum alleinerziehenden Vollzeit-Vater geworden.

Kein schrittweises Hineinwachsen, kein Übergang.

Einfach: plötzlich da.

Mit zwei Kindern, die er selbst nur zu einem geringen Teil mitgeprägt hat –

Mit zwei Kindern, die mit einem schweren emotionalen Rucksack bei ihm ankamen.

Ich sehe täglich, wie hart das ist.

Wie viel Kraft es ihn kostet.

Und ich sehe auch: Er liebt sie über alles. Er übernimmt Verantwortung.

Auch wenn’s schwer ist. Auch wenn er selbst wirklich oft an seine Grenzen kommt.

Und ich finde: Das verdient Anerkennung. 


 

Was ich aus diesen drei Geschichten mitnehme?

  • Es gibt nicht die eine Vaterrolle. Es gibt viele Arten von Vaterschaft – und alle haben ihre Berechtigung und ihren Kontext. Der Wille zählt.
  • Und gleichzeitig ist Vaterschaft auch nicht automatisch nur mit Verantwortung verbunden – sie muss bewusst übernommen werden. Und das braucht oft Ermutigung und auch den Raum – vor allem auch von uns Müttern.
  • Präsenz ist nicht gleich Anwesenheit. Ein Vater kann täglich im Haus sein und doch nicht emotional verfügbar. Und ein Vater kann auf Distanz leben und trotzdem Verantwortung übernehmen.
  • Kinder brauchen echte Beziehungen. Und die brauchen Zeit. Geduld. Verlässlichkeit. Und Raum zum Wachsen. Und auch immer wieder Reibung.

 

Ein letzter Gedanke:

Vielleicht dürfen wir als Gesellschaft aufhören, „den Vater“ in eine einzige Rolle pressen zu wollen.

Vielleicht ist es Zeit, aktive Vaterschaft neu zu definieren – nicht über Biologie, sondern über Beziehung, Präsenz und Verantwortung.

Und ja: Es braucht neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen - im Außen.

Mehr Zeit. Mehr Vereinbarkeit. Mehr Wertschätzung für Carearbeit – auch bei Männern.

Aber es braucht auch unsere innere Veränderung:

Dass wir Vätern den Raum geben um mitzudenken, mitzumeinen, mitzufühlen, mitzuentscheiden – in Erziehungsfragen, im Alltag, in emotionalen Prozessen.

Und eines möchte ich an der Stelle noch gesagt haben:

Es geht bei „Vaterschaft“ nicht primär um die geschlechtliche Zuordnung,

sondern um die Haltung, um die gelebte Präsenz, um das Mittragen von Verantwortung,

und darum, wirklich da zu sein – mit Herz und Verlässlichkeit.

Denn was Kinder wirklich brauchen, sind verlässliche Bezugspersonen,

die emotional präsent sind, Verantwortung übernehmen und Orientierung geben –

ganz gleich ob Mutter, Vater, Bonuselternteil oder jemand anderes.

Deshalb erleben Kinder in Regenbogenfamilien oder mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen keinen Nachteil, wenn sie zwei präsente, liebevolle Bezugspersonen haben – und in ihrem Umfeld unterschiedliche Identitätsvorbilder, die ihnen zeigen: Es gibt viele Arten, fürsorglich, stark und verbunden zu sein.

Die Bindungs- und Entwicklungschancen eines Kindes hängen nicht am biologischen Geschlecht – sondern an gelebter Beziehung, an Zeit, an Dialog und an der Bereitschaft, präsent zu sein.

Fazit: Vaterschaft bedeutet nicht Biologie, sondern Beziehung. Es zählt nicht,

wer du bist – sondern wie du da bist.


 

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Alles Liebe & bis bald

Deine Nadja 💛