Moderne Vaterschaft - zwischen Arbeit, Einschlafritual und leiser Zurückweisung
Jun 06, 2025
Heute möchte ich über meinen Bruder sprechen.
Einer dieser Väter, die man oft gar nicht sieht.
Und die so viel tragen!
Er arbeitet Vollzeit. Oft mehr als 40 Stunden. Nicht, weil ihm seine Familie egal ist. Im Gegenteil. Er arbeitet viel, weil sie ihm so viel bedeutet. Weil er ihnen mit seinem Einkommen Sicherheit schafft. Weil er seinen Kindern ermöglicht, dass sie dadurch länger bei ihrer Mutter in Karenz sein können. Weil er und seine Frau ihren Kindern ein Zuhause gebaut haben, das abbezahlt werden muss.
Und gleichzeitig will er etwas, was in Kombination mit einer Führungsposition viel schwerer zu bekommen ist als Geld: Zeit mit seiner Tochter. Nähe. Bindung.
Papa sein zwischen Laptop und Kuscheltier
Die Realität sieht oft so aus: Morgens früh raus. Tagsüber Mails, Meetings, Verantwortung, Mitarbeitende führen. Am Abend heim – gerade rechtzeitig, um beim Abendritual dabei zu sein. Schnell noch die Zahnbürste in die Hand drücken, die Kuscheldecke suchen, eine Geschichte vorlesen.
Und dann kommt dieser Moment:
"Nein, ich will, dass die Mama mich ins Bett bringt."
Ein kleiner Satz – mit großer Wirkung. Ein Stich ins Herz. Nicht weil Kinder absichtlich verletzen – sondern weil sie ehrlich sind. Und weil sie sich in bestimmten Phasen einfach an der Person orientieren, die sie häufiger sehen.
Manchmal tut es verdammt weh!
🧡 weil der Job und Familie so schwer zu vereinbaren ist,
🧡 weil er als Papa wundervolle Milestones verpasst und
🧡 weil es verdammt hart ist, wenn es wiedermal heißt: “Nein, die Mama soll das machen”.
Die leise Ablehnung – und was sie nicht bedeutet
Diese Zurückweisungen fühlen sich für viele Väter wie Liebesentzug an.
Gerade dann, wenn sie ohnehin am Limit sind – müde, gestresst, erschöpft.
Mein Bruder hat mir dazu einmal etwas gesagt, das mich tief berührt hat:
"Ich muss mich bewusst daran erinnern, dass es besser ist, traurig zu sein über diese gefühlte Ablehnung, als mich emotional davon – und damit auch von meiner Tochter – zu distanzieren. Vor allem wenn ich richtig müde bin, tut es so richtig weh. Dann kommt so eine kindische, innerliche Reaktion: ‚Wenn du mich nicht willst, dann hab mich gern!‘ – so wie früher. Weil das in der Kindheit ´als Bub´ und später ´als Mann´ irgendwie eine Überlebensstrategie war: Bloß nicht verletzlich zeigen. Bloß nicht weich sein."
Ich bin unendlich stolz auf ihn, dass er diese progammierten Verhaltensweisen reflektiert und so viel Mut beweist, sich verletzlich zu zeigen. Das ist: heilsam.
Vaterschaft und emotionale Selbstfürsorge
Moderne Vaterschaft verlangt nicht nur Präsenz im Außen – sondern auch Reflexion im Innen.
Wer seine Kinder liebevoll begleiten will, muss sich seinen eigenen inneren Mustern stellen. Unser Bild vom Männlichkeit, der Umgang mit Ablehnung, Rückzug, mit Nicht-Genügen – all das wirkt im Familienalltag mit.
Oft – wie bei unserem Vater – lernen Männer früh, Gefühle zu deckeln. Stärke zu zeigen. Sich abzukapseln, statt zu fühlen. Was damals vielleicht geholfen hat, um „stark“ zu sein, macht es heute schwer, weich zu bleiben. Verletzlichkeit zu zeigen. Verbunden zu bleiben mit unseren Kindern – gerade in Momenten, die weh tun.
Doch genau darin liegt eine neue Stärke: emotional präsent bleiben, auch wenn es schwerfällt.
Das ist der wahre Kraftakt moderner Vaterschaft.
Dranbleiben, auch wenn’s weh tut
Was ich an meinem Bruder so bewundere: Er bleibt da. Auch wenn’s schmerzt.
Auch wenn es an manchen Abenden heißt: „Papa, geh weg.“
Auch wenn er kaum Schlaf bekommt – weil er in der Nacht hilft.
Auch wenn der Arbeitstag lang war – er hört zu. Er bietet sich an. Immer wieder.
🧡 Bindung entsteht nicht durch Perfektion – sondern durch Verlässlichkeit.
🧡 Durch das Dasein, wenn es zählt.
🧡 Und durch das Wiederkommen, auch wenn’s schwerfällt.
Vaterschaft neu denken – Zwei Welten in Balance
Moderne Väter tragen oft zwei Welten in sich:
- Die Welt der Verantwortung – Job, Geld, Struktur, Sicherheit.
- Die Welt der Beziehung – Fantasie, Körperkontakt, Trost, Geschichten.
Und sie versuchen, beide nicht gegeneinander auszuspielen – sondern zu integrieren. Auch wenn das nicht immer ausgewogen gelingt. Wichtig ist nicht, alles perfekt zu machen. Sondern echt zu bleiben. Offen. Berührbar.
Was bleibt?
Vielleicht schläft die Tochter lieber mit Mama ein. Vielleicht ruft sie abends nicht zuerst nach Papa.
Aber sie weiß, dass er da ist. Dass er sie liebt. Dass er sich kümmert.
Und eines Tages – das verspreche ich ihm – wird sie das zeigen.
Vielleicht mit einem Blick. Vielleicht mit einem Satz. Vielleicht einfach durch das Vertrauen, das bleibt.
„Ich weiß, dass du alles für mich gegeben hast – dass du auch FÜR mich weniger da warst.“
Fazit
Vatersein heute bedeutet mehr als Versorgerrolle.
Es heißt oft: Spagat. Zwischen Beruf und Bindung. Zwischen Druck und Bedürfnis. Zwischen Müdigkeit und Mitgefühl.
Und es bedeutet: sich zeigen. Aushalten. Lieben – ohne Bedingungen.
Und manchmal: traurig sein dürfen, ohne sich zu verschließen.
Ich fühle diese innere Zerrissenheit zwischen Job und Familie. Ich wäre unendlich traurig gewesen, wenn ich die Karenzzeit mit meiner Tochter nicht gehabt hätte und viele Väter haben nicht einmal die Wahl.
Ich finde engagierte Väter - wie mein Bruder - verdienen dafür ganz viel Anerkennung und Wertschätzung.
Lasst uns als Gesellschaft Vätern mehr Raum geben, verletzlich zu sein.
Dann geben wir auch den Kindern Raum, Nähe und Männlichkeit neu zu definieren.
Für eine Generation, die weiß:
Man darf stark sein. Und weich. Gleichzeitig.
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Alles Liebe & bis bald
Deine Nadja 💛