Logische Konsequenz vs. Bestrafung: Warum WENN-DANN-Sätze nicht immer per se schlecht sind

Jul 21, 2025

Letzte Woche war ich zu Besuch bei Familienmitgliedern. Beim Abendessen durfte ich eine Situation miterleben, die so oder so ähnlich in ganz vielen Familien passiert – und die so schön zeigt, wie herausfordernd, aber auch wie lernreich der Alltag mit kleinen Kindern ist.


 

Die Situation:

Die Tochter (fast 3 Jahre alt) isst Erbsen, Reis und Fleisch. Ihr kleiner Bruder (knapp 1 Jahr alt) sitzt neben ihr. Die Schwester möchte ihm unbedingt eine Erbse geben.
Die Mama sagt liebevoll: „Das geht noch nicht, mein Schatz. Er darf noch keine Erbsen essen. Das ist gefährlich. Er kann sich verschlucken.“
Wenige Minuten später – nächster Versuch. Wieder ein Nein, ruhig und erklärt.
Und dann noch einer. Und noch einer. Und noch einer. Und noch einer. 

Jetzt könnte man denken: „Will sie denn nicht hören? Macht sie das extra, um Mama zu ärgern?“

Und hier kommt ein wichtiger Perspektivenwechsel ins Spiel:
Nein – sie ist nicht respektlos. Sie ist neugierig. Sie lernt.
Sie will ausprobieren, verstehen, die Welt um sie herum begreifen. Sie ist mitten in der Autonomiephase – in der Kinder eben nicht immer sofort aufhören, nur weil wir etwas sagen oder weil sie es "verstanden" haben. 


 

Was passiert hier aus entwicklungspsychologischer Sicht?

Kinder in diesem Alter haben noch kein „dauerhaftes Verständnis“. Das heißt: Nur weil sie etwas gehört haben, heißt das noch lange nicht, dass sie es auch wirklich "verstanden" haben – vor allem nicht dann, wenn die Versuchung groß ist
In dem Fall: eine kleine grüne Erbse und die spannende Idee, jemand anderen zu füttern, so wie Mama und etwas „Auszuprobieren“. Und was heißt überhaupt verschlucken? Und vielleicht hat Mama ja unrecht und er kann es doch? Und vielleicht kann er es ja jetzt schon, ein paar Minuten später. Ich versuche es noch einmal. 

Die Tochter handelt nicht aus Böswilligkeit. 
Sie folgt einem inneren Impuls. Und wir dürfen das liebevoll begleiten – und gleichzeitig auch Verantwortung übernehmen.


 

Warum ständiges Erklären an Grenzen stößt

Die Mama in der Situation war voller Geduld. Und doch hat man gemerkt: Es wurde anstrengend.
Immer wieder dasselbe erklären, immer wieder dasselbe Nein. Für sie frustrierend – und für die Tochter vermutlich auch.

Genau hier macht eine klare logische Konsequenz mit Haltung den Unterschied. Und ja – manchmal hilft uns ein Wenn-Dann-Satz dabei, liebevoll und zugleich konsequent zu handeln.


 

Die 3-Schritte-Methode in Aktion

1. Versuch:

„Dein Bruder darf noch keine Erbsen essen. Er hat noch nicht genug Zähne. Das ist gefährlich. Du kannst ihm keine geben.“
→ liebevoll, erklärend, ruhig

2. Versuch:

„Ich habe Nein gesagt. WENN das (noch) zu schwierig ist, DANN setze ich deinen Bruder auf die andere Seite.“
→ klare und liebevoll, verständnisvolle Ansage, in die Augen schauen, liebevolle Berührung, 

3. Versuch:

„Die Erbsen sind heute zu verlockend. Ich setz deinen Bruder jetzt auf die andere Seite. Morgen kann er wieder neben dir sitzen.“
→ konsequente Handlung, ohne Vorwurf, mit Verbindung

Und vielleicht sogar ein kleiner Ausweg mit Humor:
„Magst du mir eine Erbse in den Mund geben oder soll ich dir drei Löffel vom Brei aufheben, die du ihm am Ende füttern darfst?" – denn das Füttern war ja eigentlich das Bedürfnis.


 

Warum ist das keine Strafe, sondern eine logische Konsequenz?

💛 Es geht um unsere Haltung.
Wir sehen das Gute im Kind – die Neugier, das Entdecken. Wir sagen nicht: „Du bist böse“, sondern wir schützen. Uns (unseren Geduldsfaden), unser Kind (vor seinem starken Verlangen) und in dem Fall: den kleinen Bruder (seine Sicherheit und Gesundheit). 

💛 Die Konsequenz steht in direktem Zusammenhang mit dem Verhalten.
Das Kind versteht: Wenn ich meinem Bruder Essen geben möchte, was er nicht essen darf, dann muss er eben woanders sitzen. Es ergibt Sinn – auch emotional.

Strafe wäre: "Wenn du nicht sofort aufhörst, dann nehme ich dir dein Essen weg/ gehst du heute allein ins Bett/ darfst du deine Serie später nicht schauen/ etc." 

💛 Wir übernehmen die Verantwortung für die Einhaltung der Grenze. 
Nicht das Kind muss aufhören. Wir setzen die Grenze. Und das gibt Kindern Sicherheit – sie müssen nicht „selbst diszipliniert“ sein, sondern dürfen sich auf uns verlassen. Oft fehlt ihnen noch die Kompetenz ihrem starken Verlangen nach "Ausprobieren" zu widerstehen. 


 

Weitere Ideen, um mit solchen Situationen leichter umzugehen:

  • Alternative anbieten: Immer etwas am Teller der Schwester, das auch der Bruder essen darf – z. B. Kartoffelbrei, Banane, weich gekochtes Gemüse.

  • Kooperative Aufgaben: „Wenn du fertig gegessen hast, darfst du ihm 3 Löffel Brei geben.“ So wird das Bedürfnis integriert.

  • Sitzordnung bewusst wählen: Wenn das Thema gerade sehr präsent ist, sitzen die beiden im Moment bewusst nicht nebeneinander.

  • Situation vorbesprechen: Vor dem Essen kurz erinnern: „Weißt du noch? Dein Bruder bekommt noch kein festes Essen. Aber heute kannst du ihm helfen, indem du...“

  • Spielerisch thematisieren: Ein Bilderbuch zum Thema „Baby füttern“, Rollenspiel mit Puppen etc.

  • Erbenspüree für alle! Wenn möglich, eine Mini-Variante von dem anbieten, was sie gern teilen möchte – als Brücke zum Mitmachen.


 

Und nochmal zum Mitnehmen:

Wenn-Dann-Sätze sind nicht per se schlecht.
Sie werden problematisch, wenn sie drohen, strafen oder Schuldgefühle auslösen. Aber in Verbindung mit Haltung, Klarheit und liebevoller Führung können sie ein echter Anker im Alltag sein.

Denn Kinder brauchen unsere Führung – keine Macht, sondern Sicherheit. Und wir dürfen lernen, dass konsequent sein nicht gleich hart sein muss. Sondern sogar voller Liebe sein kann.


 

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Alles Liebe & bis bald

Deine Nadja 💛